top of page

Wo ich herkomme

Anchor 1

Aus einem Land mit ausgedehnten Wäldern und klaren Bächen, mit grünen Hügeln und milder Luft.

In diesem Land saß jeder für sich in seinem kleinen Häuschen mit einem kaputten Ofen und fror. Die in den anderen Häusern sind schlechte Menschen, dessen waren sich die Großen sicher, denn sie hatten Überfälle, Zwietracht, Gewalt und Verrat erlebt. Ihre Türen waren stets verschlossen und ihr Mißtrauen war groß. Nur manchmal, wenn es zu kalt und zu dunkel wurde, dann wagte es sich die eine oder der andere, am Nachbarhaus zu klopfen und um etwas Wärme zu bitten. Doch meistens blieb die Türe zu. Auch den Kleinen wurde nur selten geöffnet.

Ab und zu kamen Fremde ins Tal. Die kamen mit Zelten, die sie immer offen ließen und in denen sie zusammen wohnten. Die wanderten gemeinsam auf die Hügel und plauderten abends am Feuer. Die Großen beobachteten die Fremden mit verkniffenen Augen durch ihre Gardinen und redeten vor den Kleinen schlecht über sie. Doch die Kleinen waren neugierig und hungrig und gingen heimlich den Fremden hinterher. Sie belauschten ihre Gespräche, sie sahen das Licht in ihren Augen, sie sahen wie sie die Welt hinter den Hügeln und spürten sehnsüchtig im Vorbeigehen die Wärme ihrer Feuer. Und wenn sie abends zurück in ihr kaltes Häuschen gingen, dann hielten sie sich die Bilder der Fremden vor ihre inneren Augen und schworen sich, wenn sie groß wären, dann würden sie wie diese Menschen leben – mit lächelnden Gesichtern, mit einem heißen Feuer, um das sich alle versammelten und mit Türen, die immer geöffnet würden, wenn jemand frierend um Einlaß bäte.

Die Kleinen wurden groß und erlebten ebenfalls Überfälle, Zwietracht, Gewalt und Verrat. Sobald sie

groß genug waren, verließen sie das Tal auf Nimmerwiedersehen. Sie suchten solche Menschen wie diese Fremden von damals und fanden sie und lebten mit ihnen. Ihre steif gefrorenen Körper begannen zu tauen, ihre Gesichter öffneten sich und ihre Augen wurden heller. Manchmal waren sie ganz aus dem Häuschen. Und immer dann überkam sie eine Schwermut, die sie sich nicht erklären konnten. Ihre Beine zitterten, ihre Gesichter verfinsterten sich wieder, sie wurden kalt und zogen sich vom gemeinsamen Feuer zurück. Sie suchten verzweifelt einen Ort, an dem sie alleine sein konnten und fanden ihn.

Und wenn sie nach Wochen der Isolation wieder am Feuer erschienen, war ihnen klar, daß sie jedes Mal auf´s Neue aus ihrem Häuschen im Tal ausziehen mußten.

bottom of page